Die Odilienschule - Liebevolle Förderung statt grauer Theorie.

Im Stadtteil Mannheim-Neckarau, auf dem Gelände des Bunds der Freien Waldorfschulen, befindet sich die Odilienschule. Ausgerichtet für Kinder mit erhöhtem Förderungsbedarf bietet sie einiges mehr als die reine Vermittlung von Unterrichtsstoff; viel Wert wird auf eine allumfassende Förderung gelegt, die den Schülern auch im Alltag hilft.

Als frisch gebackene Abiturientin wurde ich im Frühsommer dieses Jahres herzlich von der 8. Klasse der Odilienschule aufgenommen und hatte die Möglichkeit, als Praktikantin einen Einblick in eine mir bisher leider fremde Lehr- und Lebensphilosophie zu nehmen.

Zunächst bietet die Lage der Schule viele Vorteile. Sie ist leicht mit der Straßenbahn zu erreichen und trotzdem nahe an Wald, Wiese und Altrhein. In zahlreichen Ausflügen können die Kinder so die Natur kennen und schätzen lernen und eine kleine Auszeit vom Unterricht nehmen. Durch das breite Spektrum an Fächern lernen die Kinder nicht nur grundliegende Dinge wie Mathematik und Deutsch; auch werden die motorischen Fähigkeiten in handwerklichen und praktischen Fächern geschult. Durch die Zusammenarbeit mit den angrenzenden Waldorfeinrichtungen kann die Odilienschule auch auf deren Ausstattung zurückgreifen. So steht für das Fach "Gartenbau" ein großer Schulgarten zur Verfügung, den die Schüler vielseitig mitgestalten können. Im Schulfach "Werken" fertigen die Kinder Holzarbeiten (z.B. Hocker und Holzspielzeug) an. Im Fach "Metall" entstehen Briefständer, Buchstützen und andere nützliche Utensilien, wodurch der Umgang mit den verschiedenen Metallarten erlernt wird. Des weiteren sind die Fächer "Kochen" und "Schneidern" Bestandteil des Stundenplans. Das vermittelte praktische Wissen ist für die Schüler im Alltag nützlich und zugleich berufsvorbereitend; schnell kristallisieren sich besondere Stärken heraus. Diejenigen Schüler, die den Hauptschulabschluss machen möchten, können zusätzlich "Englisch" als Fach wählen. Die künstlerische Förderung ist eine weitere Besonderheit der Waldorfpädagogik. Es wird viel gezeichnet, gebastelt und gesungen. Im Fach "Eurythmie" lernen die Schüler fließende, zusammenhängende Bewegungen auszuführen; die tänzerische Darstellung ist Ausdruck der von Musik oder Text vermittelten Gefühle. Besonders geschulte Kräfte bieten eine Vielzahl von Therapien an, darunter auch "Heileurythmie".

Das schön gestaltete Schulhaus fällt besonders ins Auge. Alle Klassenzimmer haben eine eigene Wandgestaltung und sind mit Pflanzen und Bildern versehen. Eine Besonderheit: Jedes Klassenzimmer hat einen Nebenraum, in dem die Schüler einzeln oder in Kleingruppen von einem Klassenhelfer oder einer Klassenhelferin individuell betreut werden können. Der Pausenhof bietet vielseitige Möglichkeiten sowohl Toben als auch zum Zurückziehen.

Jeden Morgen findet sich die ganze Schule in einem Morgenkreis zusammen, um sich und den Tag mit Liedern, Sprüchen und netten Worten zu begrüßen. Monatsfeiern und andere Feste stärken die Beziehungen untereinander. So ist es üblich, dass Neuntklässler ihre Pause mit Kindern aus der 3. Klasse verbringen. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist freundschaftlich, lässt aber die notwendige Autorität nicht vermissen. Das gegenseitige Vertrauen ist groß, persönliche Probleme und Anliegen werden ernst genommen. Abschließend kann ich sagen, dass ich in dieser Schule die Lehrmethoden und Umgangsformen gefunden habe, die ich mir meine ganze Schulzeit über gewünscht habe. Schweren Herzens habe ich die Odilienschule nach meinem Praktikum verlassen, werde aber weiterhin "meine Kinder" so oft wie möglich besuchen.

Ich habe mich entschieden, Sonderschul- und später Waldorfschulpädagogik zu studieren. Vielleicht kann ich einmal als Lehrerin an die Schule zurückkehren.

Nadja Ruppel

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